Die Filterblase und die Ego-Generation

22. April 2017   —   Cecilia Röski, eine Reporterin für das öffentlich-rechtliche Jugendprogramm WDR360, wollte die berühmte „Filterblase“ einmal näher kennenlernen und veranstaltete dazu kürzlich ein Experiment. Während sie zuvor nach eigener Aussage regelmäßig Tageschau, New York Times, WDR, Zeit, Welt, Jung & Naiv oder die Krautreporter konsumiert hatte, wechselte sie nun zur „Filterbubble“, in die sie unter anderem folgende Medien einordnete und für eine Woche auf Facebook abonnierte: RT, KenFM, Compact Magazin, Ossietzky, Junge Freiheit, Propagandaschau, Telepolis, NachDenkSeiten und Kopp-Verlag.

Während Ihrer Recherchen traf sie auch im realen Leben einen Nutzer solcher Medien und stellte nach einem längeren Gespräch mit diesem erstaunt fest:

„Christian ist ein ganz normaler Typ. Aber er hat eine komplett andere Meinung als ich.“

Das Problem hier geht ziemlich tief und scheint verbreitet zu sein: Eine Generation, die eigentlich nur noch sich selbst und Gleiche wahrnimmt. Die Autorin ist Anfang 20, Studentin, und hat bei der ZEIT vor zwei Jahren einen biographischen Text verfasst, in dem es heißt:

„Nach dem Abitur hatte ich zwar keinen Plan, aber ich wusste, dass ich für Höheres bestimmt bin. Das konnte nicht lange gut gehen. (…) Als nächstes hatte ich die fabelhafte Idee, etwas im Medienbereich zu studieren und eine dieser hippen Medientanten zu werden. Meine Eltern runzelten die Stirn und merkten an, dass die Jobchancen in der Branche ja alles andere als rosig seien. Dann tat ich das erste Mal etwas wirklich Erwachsenes: Bevor ich mich wieder Hals über Kopf in eine Sache stürzte, machte ich ein dreimonatiges Praktikum, und zwar bei einer Fernsehproduktionsfirma. Es musste ja niemand wissen, dass die Idee dafür gar nicht von mir stammte und ich mich auch nicht beworben, sondern mit einer Vitamin-B-Spritze nachgeholfen hatte. (…) Meine Eltern waren zwar noch nicht vollkommen überzeugt von meiner Wahl, aber zumindest waren sie beruhigt, dass ich nun endlich mal etwas in Angriff nahm. Vielleicht waren sie auch froh, dass sie sich ab sofort mehr auf sich konzentrieren konnten. Ich muss nämlich zugeben, dass ich sehr einnehmend sein kann und mich als Einzelkind immer gern in den Mittelpunkt der Familie gestellt habe.“

Auf ihrem Youtube-Kanal hat sie vor kurzem ein ebenfalls autobiographisches Kurzvideo mit dem Titel „Wer bin ich?“ veröffentlicht. Auf den Kommentar eines Zuschauers („Wieso Youtube, wieso dieser Kanal? Was hast Du davon bzw. was willst Du damit geben?“) antwortete sie:

„Vielleicht mag ich mich an gesellschaftlichen Diskussionen beteiligen und gleichzeitig wissen, dass niemand die absolute Wahrheit kennt. Vielleicht glaube ich, dass man in den Dialog treten muss und nicht schweigen sollte. Vielleicht will ich auch einfach irgendwas sagen/tun und manchmal will ich das vielleicht auch ganz und gar nicht. Kurzum: Ich weiß es nicht.“

Kenntlich wird neben einem Grundgefühl von Suche nach Orientierung und einer permanenten öffentlichen Selbstbespiegelung, die als normal wahrgenommen wird, auch ein soziales Umfeld, das Konflikte abpuffert, „in Watte packt“ und gerade dadurch die Entstehung eines kritischen Verstandes erschwert.

Die Autorin resümiert am Ende ihres Beitrags zu den Alternativmedien: „Es wird alles hinterfragt. Alles was ich als gesichert angesehen habe, wird widerlegt oder kritisiert. Das habe ich vorher so nicht wahrgenommen. Und ich glaube, dass es ziemlich gefährlich ist, wenn man nicht mehr die Tagesschau guckt und wirklich nur noch in dieser Filterbubble wäre.“

KenFM und RT will sie aber weiter abonnieren, denn es sei „auch gut, dass es diese anderen Stimmen und Meinungen in einer Gesellschaft gibt“. Immerhin.

4 Gedanken zu „Die Filterblase und die Ego-Generation

  1. paphi14

    Ambivalenter Eindruck

    Ich finde es gut, DASS sie sich diesem Experiment ausgesetzt hat! Das ist schon mal weitaus mehr, als viele andere sich zumuten würden. Und dass sie weiterhin einen Teil dieser Medien verfolgen möchte, finde ich ebenfalls gut. Sie gibt sich die Chance, mehr zu lernen, als ihre NUR maingestreamten Kollegen/innen.

    Ob sie nach einer Woche passende Schlüsse gezogen hat, scheint mir allerdings eher fraglich. Wenn sie meint, die Tagesschau berichte halt „objektiv“, dann scheint mir das doch eine noch reichlich unreflektierte Schlussfolgerung zu sein.

    Hallo Cecilia Röski,
    falls Sie das hier zufällig lesen sollten: Ich empfehle SEHR die Lektüre von Prof. Noam Chomsky. Beispielsweise das hier:

    Der Mythos der freien Presse

    Im Grunde sollte KEIN, wirklich KEIN Medienschaffender seine Arbeit ausüben, ohne sich nicht mit Chomsky befasst zu haben.

    Ebenfalls empfehlenswert finde ich Prof. Ulrich Teusch’s aktuelles Buch „Lückenpresse“, oder auch das Buch des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger „Mainstream: Warum wir den Medien nicht mehr trauen.“

    Aber VORSICHT:

    Wem es tatsächlich um ERKENNTNIS statt um BESTÄTIGUNG der eigenen Bubble geht, für den ist das richtig gefährliche Lektüre! Es werden dort m.E. ausgesprochen zwingende Argumente und Beispiele dokumentiert, die einen sehr ins Nachdenken bringen können. Wer lieber ganz sicher sein will, sein Weltbild stabil beibehalten zu können, der sollte sich solchen fundierten Argumentationslinien lieber nicht aussetzen 🙂

    FALLS Sie es lesen und gelegentlich darüber berichten sollten wäre ich sehr an Ihrer Einschätzung interessiert!

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