Die neue Militärregierung der USA

31. Juli 2017   —  Nachdem in der vergangenen Woche auch der Posten des Stabschefs im Weißen Haus, eines der mächtigsten Ämter in Washington, mit einem General neu besetzt wurde, amtieren in der US-Regierung derzeit drei Generäle. Diese Häufung von Militärs ist in der jüngeren Geschichte des Landes ohne Beispiel und für eine parlamentarische Republik ungewöhnlich. Machtausübung wird in den USA offenbar immer mehr zu einer militärischen Angelegenheit.

Der alte Stabsschef Reince Priebus, ein eher diplomatischer Jurist, der in seiner Freizeit Klavier spielte, wird nun ersetzt durch den 4-Sterne-General John Kelly, der zuvor Truppen im Irak befehligte und anschließend als Chef des Southern Command die Befehlsgewalt über sämtliche US-Soldaten und Militäroperationen in Mittel- und Südamerika, inklusive Guantánamo besaß. Jetzt organisiert er das Tagesgeschäft des Präsidenten, koordiniert dessen Termine und entscheidet, wer ins Oval Office vorgelassen wird.

Der letzte hohe Militär im Amt des Stabschefs des Weißen Hauses war vor über 40 Jahren Alexander Haig, ebenfalls eingesetzt in einer besonderen Schwächephase und Instabilität der US-Regierung, damals als Krisenmanager des durch die Watergate-Affäre angeschlagenen Präsidenten Richard Nixon. Haig agierte später als Scharfmacher und verursachte einige Aufregung, als er 1981, auf dem Höhepunkt der Konfrontation mit der Sowjetunion, einen „nuklearen Warnschuss“ ins Gespräch brachte, um die Russen „abzuschrecken“. So denken Militärs.

Der aktuelle Stabsschef John Kelly gilt als Hardliner im „Krieg gegen den Terror“, der seiner Ansicht nach längst nicht vorbei ist, sondern noch „über Generationen“ geführt werde. Einer von Kellys Söhnen, selbst Soldat, wurde 2010 in Afghanistan getötet.

Auch das Pentagon wird seit diesem Jahr direkt von einem General gelenkt, was ebenso ungewöhnlich ist. Der derzeitige US-Verteidigungsminister James Mattis befehligte zuvor als Chef des Central Command alle Soldaten und Operationen im Nahen Osten und Zentralasien. Das Central Command ist, wie auch das oben erwähnte Southern Command, eines der sechs Kommandos, mit denen das US-Militär die Welt aufgeteilt hat – und aufgrund des Öl- und Gasreichtums dieser Region wohl das wichtigste. Das letzte Mal, dass das Pentagon direkt von einem General geführt wurde, liegt mehr als 60 Jahre zurück.

Der dritte General in der aktuellen US-Regierung ist Sicherheitsberater H. R. McMaster, der als Stratege einer zukünftigen Entwicklung der amerikanischen Streitkräfte gilt. Die Funktion des Sicherheitsberaters existiert seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zunächst wurden Zivilisten ernannt, beginnend mit Brent Scowcroft in der instabilen Post-Watergate-Phase der 1970er Jahre dann zunehmend Militärs.

Wenn Zivilisten als vermittelnde Instanz immer mehr in den Hintergrund rücken und Militärs direkt das Zepter im Weißen Haus und in der Kriegspolitik übernehmen, dann ist das für eine parlamentarische Republik eine Art Ausnahmezustand. Die Eliten radikalisieren sich, die Machtsicherung erfolgt direkter und unverblümter.

Ergänzt wird die neue „Militärregierung“ durch eine selbst für Washingtoner Verhältnisse ungewöhnlich hohe Dichte von Wall-Street-Bankern in der Administration. Finanzminister Steve Mnuchin kommt von Goldman Sachs, ebenso der Leiter des National Economic Council und Chef-Wirtschaftsberater des Präsidenten, Gary Cohn (der Gerüchten zufolge nächster Chef der US-Notenbank FED werden soll). Auch Dina Powell, Stellvertreterin von Sicherheitsberater H. R. MacMaster, arbeitete zuvor für Goldman Sachs. Den gleichen Arbeitgeber hatte für einige Jahre der heutige Chefstratege des Weißen Hauses, Steve Bannon. Handelsminister Wilbur Ross ist Milliardär und war mehrere Jahrzehnte lang Bankier bei Rothschild. Der Chef der Börsenaufsichtsbehörde SEC, Jay Clayton, arbeitete zuvor für die Wirtschaftskanzlei Sullivan & Cromwell und vertrat dort auch die Interessen von Wall-Street-Banken wie Goldman Sachs. Ebenfalls eine Vergangenheit bei dieser Bank hat der Hedge-Fonds-Manager und derzeitige Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Anthony Scaramucci.

Wer noch daran zweifelt, dass es sich bei den USA um eine lupenreine Oligarchie handelt, dem dürften angesichts dieser Häufung langsam die Argumente ausgehen. Doch wo der Einfluss der Banker zwar massiv, aber vom Prinzip her nicht neu ist, erscheint die Besetzung von Schlüsselposten durch Generäle durchaus als neue Entwicklung. Angesichts des ungelösten Konfliktes mit Russland und den zahlreichen Kriegsschauplätzen und Brandherden mit US-Beteiligung lässt diese Machtverlagerung hin zum Militär nichts Gutes erwarten.

(Dieser Artikel wurde auf den NachDenkSeiten veröffentlicht.)

Anmerkung 16. August: Glenn Greenwald analysiert die Lage inzwischen ähnlich: „The last several weeks have ushered in more open acknowledgment of — and cheerleading for — a subversion of Trump’s agenda by unelected military and intelligence officials. Media accounts have been almost unanimous in heralding the arrival of retired Marine Gen. John Kelly as White House chief of staff, widely depicted as a sign that normalcy is returning to the executive branch. (…) The current storyline is that Kelly has aligned with Trump’s national security adviser, Army Lt. Gen. H.R. McMaster, to bring seriousness and order to the White House. (…) The military triumvirate of Kelly, Mattis, and McMaster has been cast as the noble defender of American democracy, pitted against those who were actually elected to lead the government. (…) In terms of some of the popular terms that are often thrown around these days — such as “authoritarianism” and “democratic norms” and “U.S. traditions” — it’s hard to imagine many things that would pose a greater threat to all of that than empowering the national security state (what, before Trump, has long been called the Deep State) to exert precisely the power that is supposed to be reserved exclusively for elected officials. In sum, Trump opponents should be careful of what they wish for, as it might come true.“

8 Gedanken zu „Die neue Militärregierung der USA

  1. marie

    ich persönlich habe eine andere interpretation (jedoch weiß ich viel zu wenig über die WIRKLICHEN haltungen dieser miltärs) ..

    wenn ich – so wie trump – von feinden umgeben in einem intrigenstadl regieren wollte – ich kann mir gut vorstellen, der öffentlichkeit ganz viele militärs zu präsentieren, auch wenn ich selbst lieber philosophen, psychologen und künstler … aber vor allem menschen meines vertrauens, in verantwortlichen positionen hätte. die feinde von trump arbeiten mit allen mitteln und mit vernunft und logik ist denen nicht beizukommen – doch auch das wissen ja viele amerikaner selbst – als sie ihn wählten. vielleicht karrikiert er clinton´s echte miltanz – so wie er ihrer scheinbaren seriosität seine vulgäre rolle entgegensetzte … psychologisch betrachtet sieht es „eigentlich“ ganz gut aus – und nach dem langen gespräch mit putin glaube ich, dass die beiden sich irgendwie auf dieser ebene verstehen >>> politik ist nun mal nur ein großes theater

    obwohl krieg in der luft liegt – vielleicht will ich einfach nur nicht glauben, dass es mehr als säbelrasseln ist … wer soll denn da kämpfen WOLLEN??? bis jetzt hat die ganze kriegspropaganda die „lust“ der menschen dazu nicht erweckt …

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    1. Kavaliersdelikt

      Alleine das Lesen von durchegehender Kleinschreibung macht mich aggressiv und macht ein weiterlesen unmöglich.
      Nochmal zurück in die Schule.

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  2. marie

    nachtrag vom 1.8.17 – frauke steffens sieht es wohl auch so:

    „Aber Scaramucci übertrieb es mit seinen persönlichen Angriffen auf Gegner, die oftmals auch deutlich unter die Gürtellinie gingen.“

    „Hinter dieser Haltung gegenüber der Armee lässt sich in den Vereinigten Staaten eine ziemlich breite Koalition unterschiedlichster Menschen versammeln.“

    http://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/donald-trump-feuert-kommunikationschef-scaramucci-15131361.html

    der rhetorische stil von s. hat trump wohl gefallen – aber er hat die angriffsmöglichkeiten nur verstärkt. von nüchternen militärs ist dies nicht zu erwarten – und vielleicht sogar die „perfekte“ ergänzung für die inszenierung, welche die innenpolitischen gegner verstummen läßt

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    1. Paul Schreyer Autor

      Innenpolitisch womöglich tatsächlich klug aus Trumps Perspektive, aber der „Kollateralschaden“ könnte erheblich sein, wenn militärisches Denken generell die Oberhand gewinnt.

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      1. marie

        hmm … es sind global – m.m.n. – knallharte wirtschaftskriege an der tagesordung und in der heißen phase – und natürlich haben sie recht: die „kollateralschäden“ werden dafür skrupellos in kauf genommen. ich sehe jedoch einen unterschied, ob die menschenopfer aus rücksichtsloser gier/abschreckung oder purer verachtung „einkalkuliert“ werden – oder ob aus nüchterner strategischer beendung der konflikte eine unvermeidbarkeit anerkannt wird.

        ich sehe es noch optimistisch, dass sich trump um INNENPOLITIK kümmert (auch wenn er in der „tradition“ von welteroberung massivst in außenpolitik verstrickt ist) … und seine eigene vernichtung verhindern will. ich unterstelle ihm da keine feigheit (wie z.b. obama) … sondern das ziehen aller taktischen register, mit der der gruseligen „tradition“ zu brechen und eine „mächtige“ basis zu schaffen, wirtschaftliche stabilität ohne blutvergießen zu versuchen. wenn er selbst vernichtet wird, sehe ich keine chance für diese versuche.

        also sehe ich eher kluge stategen in uniform … für den „kriegsschauplatz“ handel und wirtschaft und nicht für einseitig kriegerisches militär.

        ich bin noch opimist und hoffe, ich habe recht:-))) (auch wenn die medien und seine gegner ihn uns als monster darstellen wollen – den „engel“ clinton/obama gab es nie – auch wenn sie denen unkritisch in den hintern gekrochen sind)

        https://www.rubikon.news/artikel/trumps-ohnmacht-und-inkompetenz

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      2. Paul Schreyer Autor

        Die Analyse verstehe ich. Meine Sympathie für Trump hält sich dennoch in Grenzen. Zumal die Generäle in seiner Regierung sämtlich im „Global War on Terror“ sozialisiert sind und von diesem auch weiterhin überzeugt. Paul Craig Roberts´ Einschätzung (danke für den Link) erscheint mir schlüssig: „Seine Regierung war in dem Moment hinfällig, als der geschwächte Donald Trump den Neokonservativen erlaubte, seinen Sicherheitsberater, General Flynn seines Amtes zu entheben. Trump hat sich nie davon erholt. ‚Seine‘ Regierung ist mit krassen Russlandhassern besetzt. Dies kann nur zu Krieg führen.“

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  3. marie

    nur zur richtigstellung: ich schreibe hier nicht über sympathien (für trump o.a. – aber auch nicht über aversionen), sondern versuche jenseits meiner persönlichen „wünsche“ die situation zu neutral-professionell zu analysieren. natürlich fehlen mir dafür jede menge informationen aus erster hand:-))) … doch WER hat die schon wirklich? und ich habe wohl noch einen vorteil: ich bin immun gegen manipulation und propaganda – lebe aber in einer gesellschaft, die das weder als wert noch als selbstverständnis ansieht >>> werde also mit reichlich mißtrauen bedacht … doch auch dies selbst zu reflektieren ist hilfreich. persönlich freue ich mich, wenn immer mehr menschen den weg der propaganda-resistenz finden … aber auch dies nicht aus persönlichen gründen … andererseits bin ich überzeugt, dass es in der aufklärung kein zurück gibt … doch wie lenin schon die schritte beschrieb … dialektik hilft … theoretisch und auch praktisch

    ps. Paul Craig Roberts kann uns bestimmt etwas über die usa berichten – aber die sind ja nicht allein auf der spielfläche der welt … von europa erwarte ich im moment nix – aber rußland und china haben ja auch noch ihre ideen, interessen und strategien >>> also insgesamt bleibe ich noch bei meiner hoffnung: ABER das säbelrasseln des kaltes krieges wird noch lauter werden – das ist noch nicht ausgereizt … muß/wird aber nicht echt heiß werden … aber DENKEN soll es wohl jeder … ist schon ein scheißspiel ohne lebensversicherung für alle beteiligten – was sie wohl aber auch bremsen wird … wenn es keine SIEGER mehr gibt (so wie hitler oder auch die usa oft dachten) … es geht um die verhinderung der siegesgewißheit – das verstehen die amis kaum, china und rußland u.a. aber sehr gut

    und nochmal lenin: lernen, lernen, lernen (leider auch bei unwilligkeit mit gewalt)

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  4. burrotraum

    sieht aus wie ein militär-finanzen-putsch, um den vermeintlichen träger der änderung im diesem sektor (heute trump) kalt zu stellen, um die fortführung der agenda zu garantieren und die us-bevölkerung im glauben zu lassen, trump könne nicht, obwohl er willens wäre. Somit kann die us-bevölkerung weiterhin gespalten gehalten werden in ihren verständnis einer zwei-parteien-demokratie. Was den krieg angeht, so ist der ja voll im gange und ist nicht nur für die usa primärer bestandteil ihrer wirtschaft und dies schon seit langem. Dem glauben zu verfallen, das nur weil die mit waffen geführten kriege nicht bei uns (dem westen) stattfinden, bei uns herrsche frieden, ist sehr gefährlich. Durch den besitz der leitwährung durch die usa wird jeder bewaffnete krieg indirekt immer von allen nationen mitgetragen und die usa sind schon seit langem immer in krieg mit irgendwelchen nationen. Inwieweit der niedergang des westlichen imperiums mit einen knall oder „in geordneten bahnen“ verläuft, spielt für das kapital keine rolle insofern, dass es auf jeden fall einen finanziellen gewinn daraus schlagen kann, solange nicht grundsätzlich das finanzsystem verändert wird. Wie sehr der knall als option für die erwünschten zukünftigen veränderungen in betracht gezogen wird, zeigt die untergangs-uhr, welche für 2017 auf 2.5 vor 12 gestellt wurde. Bis jetzt kann ich in 2017 keine wirkliche entspannung erkennen.

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