Vorsicht, Querfront!

FriedensflaggenVorbemerkung: Dieser Text ist ein Vorabdruck aus meinem neuen Buch „Die Angst der Eliten“ und erschien im Magazin Rubikon. Weitere diese Woche per Vorabdruck erschienene Buchkapitel finden sich bei Telepolis und auf dem Blog von Norbert Häring. Das Buch selbst gibt es überall im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

8. April 2018   —   Wo immer eine große parteiübergreifende Debatte zu Krieg, Kapitalismus und Gerechtigkeit doch einmal in Gang kommt, da lauert der Querfront-Vorwurf, also die Beschuldigung, Linke würden mit Rechten paktieren und damit rechtes Gedankengut salonfähig machen. Immer wieder wird in linken Kreisen nahegelegt, eine kritische Beschäftigung mit dem Geldsystem oder mit Machteliten sei »strukturell rechts« oder bediene gar »antisemitische Denkmuster« (1).

Befeuert wurde der Querfront-Vorwurf unter anderem durch eine 2015 veröffentlichte Studie mit dem Titel »›Querfront‹ – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks« (2). Gezeichnet wurde darin das Bild einer eng verknüpften Partnerschaft verschiedener Alternativmedien, die zunehmend die Deutungshoheit des Medienmainstreams bedrohen würden. Grundthese: Linksaußen und Rechtsaußen finden zusammen in ihrer Ablehnung der etablierten Politik – und das mit wachsendem Erfolg.

Herausgegeben hatte das Papier die renommierte Otto-Brenner-Stiftung, die zur Gewerkschaft IG Metall gehört, Autor war Wolfgang Storz, ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung »Frankfurter Rundschau. Aufgrund dieses seriösen Absenders fand die Studie ein breites Echo in den Medien. Im Vorwort betonte Stiftungschef Jupp Legrand, die untersuchten Akteure würden Positionen vertreten, »die einfach gestrickt sind, populistische Züge tragen und klare Fronten markieren: Volk gegen Eliten, Wahrheit gegen Lügenpresse, pro Nation und contra EU, gegen die USA und für Putin« (3). Mit anderen Worten: Das Querfront-Netzwerk polarisiere, hetze auf und sei daher gefährlich.

Den Fokus legte das Gewerkschaftspapier auf vier besonders prominente Akteure: Ken Jebsen mit seinem Internetkanal KenFM, Jürgen Elsässer mit seiner Zeitschrift Compact, den Kopp-Verlag, bekannt unter anderem für die Bestseller von Udo Ulfkotte und Gerhard Wisnewski, sowie die sogenannten »Montagsmahnwachen«, eine lose Organisation wöchentlicher deutschlandweiter Friedensdemonstrationen, die im Zuge der Ukrainekrise entstand und die vor allem 2014 und 2015 aktiv war.

Während Elsässer und Kopp-Verlag allgemein eher dem rechten Lager zugeordnet werden, vertreten Jebsen und die Montagsmahnwachen klar linke Thesen. Worin also besteht nun die Zusammenarbeit, das Netzwerk, die »Front«? Wird hier wirklich koordiniert und planvoll zusammengearbeitet? Autor Storz schien sich an dieser Stelle selbst nicht sicher zu sein:

»Die Akteure handeln für sich, sind jedoch auch als ein publizistisch-politisches Netzwerk anzusehen. (…) Der Begriff (…) unterstellt hier freiwillige, lockere, aber stabile Kontakte, eine wiederkehrende punktuelle Zusammenarbeit von privaten Akteuren, die selbstständig und voneinander unabhängig sind. (…) Es gibt kein Zentrum, das steuert, keine gemeinsame Organisationsform; es kann jedoch Verabredungen über Inhalte und Ziele geben. Angenommen wird, dass zwischen den Akteuren so viel Vertrauen und gemeinsame Interessen bestehen, dass zum gegenseitigen Vorteil und nie zum Nachteil gearbeitet wird und aufgrund der Beziehungen eine gewisse wechselseitige Beeinflussung in Haltung und Handeln gegeben ist« (4).

Das klang vage und ein wenig bemüht. Polemisch, aber sachlich durchaus zutreffend, könnte man den Querfront-Vorwurf auch als Verschwörungstheorie bezeichnen. Problematisch wird die Theorie vor allem deshalb, weil dem Autor der Studie bekannt war, dass die beiden prominentesten Akteure, Elsässer (5) und Jebsen, bereits im Frühjahr 2014 miteinander gebrochen hatten (6).

Jebsen distanzierte sich damals gemeinsam mit anderen Personen öffentlich von Elsässer, der »in seiner Publikation immer wieder mit schlimmen Ausfällen gegen konkrete Personen und Personengruppen« in Erscheinung träte, »die Raum neben seinen geopolitischen Analysen finden«. Elsässers Auftritt auf den Friedenskundgebungen der Montagsmahnwachen sei nicht glaubwürdig und unerwünscht, da in seinem Compact-Magazin »auf sehr unversöhnliche Weise gesellschaftliche Feindbilder konstruiert und reproduziert« würden, so Jebsen im Mai 2014, mehr als ein Jahr vor Erscheinen der Studie (7).

Elsässer und Jebsen dennoch als partnerschaftliche Teile eines gemeinsamen Netzwerkes zu bezeichnen, war schlicht falsch, umso mehr, wenn man die Äußerungen der beiden – die seither keinerlei Kontakt mehr unterhielten – zur Kenntnis nahm. Doch den Herausgebern der Studie war der Nachweis einer konkreten Zusammenarbeit der porträtierten Akteure offenbar gar nicht so wichtig. Entscheidender und hinreichend für den Querfront-Vorwurf erschien ihnen schon die simple Gemeinsamkeit der Systemkritik von Jebsen, Compact-Magazin, Kopp-Verlag und Montagsmahnwachen:

»Die hier porträtierten Akteure verbindet die grundsätzliche Kritik an den hiesigen Verhältnissen. Es fällt auf, dass positive Anmerkungen über die heutigen Verhältnisse in Deutschland oder in der EU, positive Bekenntnisse zur demokratisch-repräsentativen Gesellschaftsordnung und den ihr zugrunde liegenden Werten fehlen. Diese inhaltliche Ausrichtung lässt eine grundsätzliche Gegnerschaft der Akteure zur bestehenden Gesellschaftsordnung vermuten« (8).

Die sich an diesen Gedanken logisch anschließende Frage wird in der Studie nicht diskutiert: Was ist denn eigentlich die bestehende Gesellschaftsordnung? Was macht sie aus? Handelt es sich um eine Demokratie? Welche Werte werden tatsächlich vertreten und durchgesetzt? Im Lichte dieser Fragen erscheint die »Querfront«-Studie, wohlwollend gesagt, naiv. Gar nicht naiv hingegen, sondern höchst nützlich für einige ist es, jede harte Kritik an den Zuständen als »staatsfeindlich« auszugrenzen oder sogar als »demokratiefeindlich« zu verfälschen.

Der Querfront-Vorwurf unterstellt, dass eine grundlegende Ablehnung der gegenwärtigen Politik an sich schon illegitim und undemokratisch sei. Man »darf« sozusagen die Politik aller etablierten Parteien, von CDU bis Grünen, nicht insgesamt infrage stellen. Da verläuft die rote Linie. Aber warum darf man das eigentlich nicht? Was ist an diesem Verbot demokratisch? Ist eine solche Beschränkung nicht am Ende bloß ein Einwilligen in die große »Alternativlosigkeit«, einen politischen Fatalismus, der zwar Detailverbesserungen für möglich hält, nicht aber große Änderungen und radikale, also an die Wurzel gehende Kurswechsel?

Wenn die Herausgeber der Studie »positive Bekenntnisse zur demokratisch-repräsentativen Gesellschaftsordnung und den ihr zugrunde liegenden Werten« bei Systemkritikern wie Jebsen vermissen, so ließe sich entgegnen, dass manche dieser Kritiker ihrerseits auch etwas vermissen, nämlich, dass solche Bekenntnisse, wie sie vielen Politikern und Journalisten leicht von den Lippen kommen, auch mit Leben gefüllt werden.

Es ist auf ermüdende Weise der immer gleiche logische Fehlschluss: Wer argumentiert, dass es an Demokratie mangele, der wird selbst zum Demokratiefeind erklärt, da er sich ja nicht zur Demokratie im eigenen Land bekenne. Die Unlogik ist so offenkundig, dass man sich angesichts des niedrigen Grades an Reflexionsvermögen bei denjenigen, die so reden, nur verwundert die Augen reiben kann.

Dennoch macht der Vorwurf einer Querfront aus Links und Rechts und deren vermeintlicher »Demokratiefeindlichkeit« seit Jahren große Karriere in den Medien. So bezog sich der Spiegel in einer langen Titelgeschichte unter der Überschrift »Aufstand der Ängstlichen« konkret auf die »Querfront«-Studie:

»Die neue rechte Szene kommt aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft; sie umfasst wertkonservative Intellektuelle, fromme Christen und Wutbürger und zieht auch Menschen an, die sich sonst als Linke bezeichnen würden, etwa Putin-Bewunderer, Globalisierungsgegner und radikale Pazifisten. Es wächst zusammen, was lange nicht zusammengehörte. (…) Der Staat und seine Organe wie Regierung und Parlament werden in einer Weise verächtlich gemacht, wie man dies seit der Gründung der Bundesrepublik nicht erlebt hat. (…)

Die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung hat im Sommer eine Studie über Rechtspopulismus in Deutschland veröffentlicht. Die neuen Rechten sind demnach daran zu erkennen, dass sie sich nicht mehr eindeutig als Rechte zu erkennen geben. Das macht die Lage kompliziert. ›Die Grenzen zwischen traditionell linken und rechten Haltungen verwischen‹, heißt es in der Studie. ›Politisch verorten sich die Akteure überwiegend jenseits klassischer Rechts-links-Schemata.‹ Der Autor Wolfgang Storz spricht von einer ›Querfront‹, ein Begriff, der auf die Weimarer Republik zurückgeht, als jungkonservative Denker wie Arthur Moeller van den Bruck darüber philosophierten, wie sich nationalistische und sozialistische Kräfte bündeln ließen. Was kurze Zeit später ja auch gelang« (9).

In diesem Rückgriff auf die deutsche Vergangenheit liegt die eigentliche Brisanz des Querfront-Vorwurfs. Die Nazis, so die dringliche Warnung, wären damals auch deshalb an die Macht gekommen, weil Links- und Rechtsextreme sich gegen die demokratische Weimarer Republik verbündet hätten. Ähnliches drohe heute wieder. Nochmals der Spiegel:

»Über das Ziel der rechten Vordenker und der ständig wachsenden Schar ihrer Mitläufer sollte sich weder die Politik noch die bürgerliche Mitte Illusionen machen. Es ist dasselbe Ziel, das auch Menschen wie Carl Schmitt verfolgten, einer der faschistischen Vordenker zu Zeiten der Weimarer Republik. Das bestehende demokratische System soll zerstört werden, um danach etwas Neues errichten zu können – wie immer das dann konkret aussehen mag« (10).

Nun gibt es fraglos viele Rechtsradikale, die wenig von Demokratie halten und die, teilweise lautstark, ein autoritäres Staatssystem anstreben. Eine ziemlich dreiste Geschichtsklitterung ist es allerdings, den Aufstieg der Nazis in den 1930er Jahren auf die Bildung einer Querfront mit Linken zurückzuführen.

Wahr ist, dass es damals in der NSDAP einen antikapitalistischen Flügel gab, der jedoch 1932, also noch vor der Machtübernahme der Nazis, parteiintern weitgehend neutralisiert war (11). Auch gab es tatsächlich Pläne für eine Querfront-Koalition. General Kurt von Schleicher, ein »intrigenfreudiger Bürogeneral« (Sebastian Haffner) und letzter Reichskanzler der Weimarer Republik, versuchte 1932, eine Regierung zu bilden unter Beteiligung Konservativer, der Gewerkschaften und Gregor Strassers, eines kapitalismuskritisch gesinnten Parteiführers der NSDAP. Man wollte die Nazis spalten, um sie besser in das etablierte Politsystem einbinden zu können.

Doch Strasser konnte sich innerhalb der NSDAP, besonders gegen Hitler, nicht durchsetzen und auch die Gewerkschaften schreckten zurück – der Plan scheiterte (12). Strasser schwenkte anschließend auf den Hitlerkurs ein und meinte nun, »dass der Kapitalismus von den Nationalsozialisten nichts zu fürchten« habe (13). Unmittelbar darauf, im Februar 1933, versicherte Hitler bei einem diskreten Treffen mit den mächtigsten Industriellen des Landes, er bekenne sich zum Privateigentum und wolle der kommunistischen Gefahr trotzen. Die Konzernlenker vereinbarten daraufhin eine gemeinsame Spende in Millionenhöhe für den Wahlkampf der NSDAP zur bevorstehenden Reichstagswahl (14). Die Nazis gewannen die Wahl mit einem Rekordergebnis und die Geschichte nahm ihren Lauf. Der Autor Ulrich Sander schreibt dazu:

»Die Naziideologie enthielt so gut wie keine konzeptionellen Gedanken, die nicht schon vorher im konservativen und deutschnationalen Gedankengut der bürgerlichen Rechtsparteien enthalten gewesen wären. Rassismus, Antisemitismus, Antikommunismus, Kolonialismus und aggressiven Militarismus gab es bereits. Mit Rosenbergs ›Neuordnung des Ostraumes‹ und Hitlers ›Lebensraum im Osten‹ sollte ein uralter Traum der Herrschenden in Deutschland verwirklicht werden« (15).

Dem britischen Historiker Adam Tooze zufolge war für die Unterstützung der Industriellen entscheidend, was ihnen Hitler versprochen und dann auch durchgesetzt hatte: »Das Ende der parlamentarischen Demokratie und die Vernichtung der deutschen Linken« (16).

So viel zur »Querfront« in der deutschen Geschichte. Sie war ein gescheitertes Projekt eines Reichswehrgenerals, der mitten aus dem konservativen Establishment stammte, und gerade kein gemeinsames Projekt von Linken und Rechten an der Basis. Auch mit dem Aufstieg der Nazis hatten diese Pläne wenig zu tun. Die Parallele zur Gegenwart ist in mehrfacher Hinsicht konstruiert und manipulativ (17).

Aber, so könnte man fragen, stimmt es nicht dennoch, dass die Grenzen zwischen linken und rechten Haltungen heute zunehmend verwischen, wo doch Linke wie Rechte so heftig das System kritisieren? Entsteht da am Ende nicht doch eine gemeinsame Front? Müssten sich Linke nicht von einer Systemkritik deutlich distanzieren, wenn auch Rechte sie lautstark äußern?

Emotional mag da mancher, ohne weiter nachzudenken, zustimmen wollen. Doch so einfach ist es nicht. Der Ansatz, eine Kritik an den Verhältnissen abzulehnen, weil auch der politische Gegner sie äußert, führt in die Irre. Eine gemeinsame Gesinnung entsteht – anders als viele meinen – nicht schon dadurch, dass man mit anderen die Diagnose eines politischen Problems teilt, etwa: »Die Demokratie funktioniert derzeit nicht so, wie behauptet wird.« Anhänger ganz unterschiedlicher politischer Lager können ein Problem oder einen Sachverhalt (»Der Kaiser ist nackt«) in gleicher Weise erkennen, ohne dadurch zu Verbündeten zu werden.

Wesentlich für die Einordnung auf der Links-Rechts-Skala ist die eigene Haltung zu Herrschaft, Hierarchien und Autorität. Rechte wünschen sich bekanntlich ein autoritäres System mit klarer Führung und der Wahrung konservativer Werte. Sie akzeptieren und unterstützen die traditionelle, hergebrachte Ordnung und das »Recht des Starken«. Linke hingegen betonen die Gleichheit aller Menschen und stellen das bestehende System um so eher infrage, je mehr sie es als sozial ungerecht betrachten. Links ist, im Gegensatz zu Rechts, eng mit Herrschaftskritik verbunden.

Die aktuelle Kritik der Rechten an der Regierung versteht sich daher nicht als grundlegende Herrschaftskritik, sondern viel begrenzter, als Ablehnung bestimmter Politiker und Parteien. Diese will man ersetzen, um anschließend die alte Ordnung wiederherzustellen. Mit linken Zielen hat das wenig zu tun.

Während Ken Jebsen kapitalismuskritisch, herrschaftskritisch und gerade nicht autoritär argumentiert und sein Publikum immer wieder dazu aufruft, selbst zu denken und sich keinen Parteien und Hierarchien unterzuordnen, empfiehlt Jürgen Elsässer seinen Lesern eine Koalition aus AfD und FDP als »Regierung aus dem Volk, durch das Volk und für das Volk« (18). Größer könnten die Unterschiede kaum sein.

Doch solche Differenzen werden im Medienmainstream konsequent ignoriert. Viele wissen offenbar gar nicht mehr, was »links« und »rechts« bedeuten und assoziieren mit den Begriffen einfach bloß Parteien. Solche Oberflächlichkeit führt dann zu Analysen aus dem Bauch heraus. Ken Jebsen etwa gilt vielen unverrückbar als rechts, was angesichts der dokumentierten Fülle seiner Äußerungen der letzten Jahre als absurd, oder besser gesagt: dämlich bezeichnet werden muss.

Oft gewinnt man den Eindruck, seine Kritiker orientieren sich bei dieser Einschätzung weniger an dem, was er sagt, als daran, wie er es sagt. Seine Energie, sein Druck, sein oft zorniger Ton verstören offenbar und erinnern manchen wohl an rechte Agitatoren. Diesen Kritikern könnte man empfehlen, die optische und akustische Oberfläche zu durchdringen und gründlich zuzuhören. Der Kollege Mathias Bröckers hat das getan und erklärt den wachsenden Publikumserfolg Jebsens so:

»Nicht, weil er ›rechts‹ ist, sondern weil er echt ist. Als Kriegsgegner und Antimilitarist, als extremer Vertreter sozialer Gerechtigkeit und scharfer Kritiker des neoliberalen ›Jeder gegen jeden‹, als Antirassist und strikter ›Anti-Antisemit‹, der Israel oft bereist und seine Verwandten dort besucht – und mit 545 Folgen ›RückblickKEN‹ den ARD-Rekord im Warnen vor Faschismus und Holocaust hält. Als einer, der weiß, wovon er spricht, wenn es um Rassismus geht, der im niederrheinischen Krefeld geboren ist und den iranischen Namen seines Vaters abgelegt hat, weil er nicht immer gefragt werden wollte, wann er denn wieder zurückgeht. Und der sich, eben weil er für dieses Thema von klein auf sensibilisiert ist, das Recht nimmt, die rassistische Politik Israels als solche zu benennen und zu kritisieren. Nicht weil er Juden hasst, sondern weil ihm diese Politik zutiefst zuwider ist, wie übrigens auch vielen jüdischen Menschen innerhalb und außerhalb Israels. Und weil er in Israel einen Freund sieht, an dem ihm etwas liegt. Dass er seine Empörung darüber nicht vornehm zurückhält, wie es die hiesigen Diskurskonventionen (und NATO-Interessen) vorschreiben, auch das ist nicht ›rechts‹, sondern echt – humanistisch nämlich« (19).

Andere, die Jebsens »rechte Gesinnung« daran festmachen wollen, dass er auch schon Leute interviewt hat, die beim eher rechten Kopp-Verlag veröffentlichen – wie den mittlerweile verstorbenen Udo Ulfkotte oder Gerhard Wisnewski –, argumentieren ebenfalls auf dünnem Eis (20). Denn die Methode, jemanden nicht wegen seiner eigenen Äußerungen zu kritisieren, sondern wegen seiner Kontakte zu Menschen, deren Haltung einem missfällt – Stichwort »Kontaktschuld« –, ist selbst ein Merkmal totalitären Denkens. Auf Wikipedia heißt es zum Begriff Kontaktschuld:

»Statt den Diffamierten selbst zu zitieren, sein Handeln zu charakterisieren, seine Beweggründe zu nennen, werden Orte, an denen er sich aufgehalten, oder Personen, mit denen er gesprochen hat, (…) politisch verdächtigt und sodann ein Rückschluss auf die politische Einstellung des Angegriffenen selbst gezogen. (…) Somit ist das Kontaktschuld-Konstrukt (…) ein klassisches Pseudoargument und jedenfalls im Strafverfahren zur juristischen Beweisführung ungeeignet, weil es nicht auf Tatsachen beruht« (21).

In der Debatte rund um alternative Medien und im Kampf um die Deutungshoheit der etablierten Zeitungen und Sender wird mittlerweile häufiger versucht, Kritiker mittels Kontaktschuld auszugrenzen. Die Ausgrenzung soll es den entsprechenden Personen erschweren, ihre Ansichten weiter über die Medien zu verbreiten. Das Signal geht dabei immer an zwei Adressaten: zum einen an das Publikum, dem man vermittelt: »Glaubt diesem Menschen nicht«, zum anderen an die Redakteure und Journalisten innerhalb der Medien, denen man nahelegt, dieser Person kein Forum zu bieten, sofern man nicht – wiederum mittels Kontaktschuld – sein eigenes Ansehen gefährden will.

Das Kontaktschuldsystem ist ein Schneeballsystem. Es lebt davon, dass andere die Empfehlung zum Ausgrenzen unkritisch befolgen und damit weiter verbreiten. Das System selbst wird selten öffentlich reflektiert und hinterfragt. Im Kern ist es eine Anleitung zum Konformismus.

Dabei sollte eigentlich jedem klar sein: Jemand wird nicht dadurch zum Rechten, dass er mit Rechten spricht, und nicht dadurch zum Linken, dass er Linke zu Wort kommen lässt. Einmal ganz abgesehen davon, dass nicht jeder ein Rechter ist, bloß weil er beim Kopp-Verlag oder einem anderen im Mainstream nicht wohlgelittenen Verlag veröffentlicht, und, weiter gedacht, auch nicht jeder, der tatsächlich rechtsextreme Ansichten vertritt, legitimerweise zensiert werden darf – es sei denn, ein geltendes Gesetz (Verbot von Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung) wird gebrochen. Seltsam, dass man eine solche, selbstverständlich erscheinende Banalität heute wieder betonen muss.

Problematisch sind zudem die unklaren Kriterien. Wer oder was soll eigentlich wann und warum genau gemieden werden? Im Grunde ist es so: Wer sagt, man solle bestimmte Personen nicht mehr interviewen und habe sie generell zu meiden, der fordert eine Selbstzensur mit Verweis auf den Mainstream als höhere Autorität. Daran kann man sich zwar orientieren, das hat dann aber mit Freiheit und Vielfalt wenig zu tun.

Früher wurde der Mainstream – oder »die Linie«, wie man es nannte – durch eine Staatspartei verkündet. Heute stecken die Leitmedien selbst die Grenzen ab und erfüllen damit zunehmend die Funktion einer solchen Staatspartei, meist ganz freiwillig und ohne Anleitung. Derart linientreue Journalisten betrachten ihr Einschwenken auf einen Elitenkurs – sofern dieser überhaupt bewusst erfolgt – als höchst respektable »Übernahme von Verantwortung«. Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger spricht daher von einer »Verantwortungsverschwörung«:

»Viel von dem Gleichklang zwischen Politik und Medien, den manche Nutzer als Verschwörung deuten, kommt ohne jegliche Direktive oder Dienstanweisung, ohne Fremdsteuerung und Gängelband zustande. Nachdem die subtilen Mechanismen der Personalauswahl dazu geführt haben, dass sich in den Redaktionen Menschen mit ähnlichen Mentalitäten, Werten und Einstellungen zusammengefunden haben, und nachdem die Journalisten ohnehin das Berichten über Elitenhandeln als ihre primäre Aufgabe ansehen, kommt die Frage der Verantwortung hinzu. Wer als leitender Redakteur eines großen Mediums spürbaren Einfluss auf die öffentliche Meinung hat, der sortiert bei seiner täglichen Selektionsarbeit nicht nur zwischen wahren und falschen Informationen sowie zwischen wichtigen und nebensächlichen, sondern oft auch (bewusst oder unbewusst) zwischen nützlichen und schädlichen« (22).

Mit anderen Worten: Der Journalist spürt, welche Nachrichten der großen Linie nützen und welche ihr schaden. Die alltägliche Auswahl der Nachrichten ist ein höchst politischer Vorgang, der die öffentliche Meinung stärker filtert als jedes Verbot »von oben«.

Verantwortungsverschwörung bedeutet, dass Medienmacher sich freiwillig mit Eliten verbünden, deren Sichtweisen teilen und als vernünftig und »gut für das Land« bewerten. Journalisten wie Ken Jebsen stören da, die Montagsmahnwachen stören ebenso, und auch kritische Webseiten wie die NachDenkSeiten stören, da sie alle mit ihren Argumenten das System schlecht aussehen lassen.

Die heutige Ausgrenzung von Personen, Medienportalen, Büchern oder Parteien mit Verweis auf den Mainstream als Autorität ist eng verwandt mit der früher üblichen Zensur durch den Staat, der ja ebenfalls immer eine Elite repräsentierte. Heute nun geht der Zensurwunsch kaum noch direkt vom Staat aus, manchmal im Gegenteil.

Als eine SPD-Abgeordnete 2015 beim baden-württembergischen Innenministerium nachfragte, ob der Kopp-Verlag nicht aufgrund rechter Veröffentlichungen vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsste, teilte die Landesregierung mit, dass »hinreichende Anhaltspunkte für Bestrebungen des Verlags gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht vorliegen« würden und im Übrigen »das Gewicht der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit zu beachten« sei (23). Der Staat verteidigte in diesem Fall also die Meinungsfreiheit gegen eine Parlamentarierin aus einer traditionsreichen, früher selbst einmal vom Staat verbotenen Arbeiterpartei.

Ebenfalls ganz ohne staatliches Wirken werden mittlerweile in Buchhandlungen »unliebsame« Werke aus den Regalen entfernt – oder sogar gleich die ganze Bestsellerliste manipuliert, wie es 2017 der Spiegel vorführte (24). Eine besonders geistlose Pointe ist es dabei, zu behaupten, dies geschehe im Namen einer »offenen Gesellschaft«.

Denn offen und demokratisch ist an solchem Verhalten wenig. Je mehr es um »gute« und »böse« Gesinnungen geht, je mehr der Mainstream das eigene Denken reglementiert und auf Linie bringt, desto eher wird aus bunter Vielfalt genau die trübe Einfalt, die den alternativen Medien überhaupt erst den Erfolg der letzten Jahre beschert hat.

Finales Argument gegen Systemkritiker ist schließlich der Antisemitismus, mittlerweile noch bösartiger, weil juristisch schwerer angreifbar, verfeinert zu »antisemitischen Denkmustern«. Zuletzt hörte man davon beim Berliner Kultursenator Klaus Lederer, der Ende 2017 eine öffentliche Preisverleihung an Jebsen kippen wollte mit Verweis auf ebenjenen »Antisemitismus« des Journalisten.

Lederer hatte den Betreiber eines staatlich geförderten Berliner Kinos, wo Jebsen von anderen Journalisten ausgezeichnet werden sollte, von seinem Staatssekretär anrufen lassen, woraufhin der Kinobetreiber einen schon geschlossenen Mietvertrag mit den Organisatoren der Preisverleihung wieder kündigen wollte – offenbar in Sorge um den weiteren Erhalt von Fördergeldern (25).

Der Parteivorstand der Linkspartei stellte sich mehrheitlich mit schriftlichem Beschluss hinter die Aktion ihres Kultursenators und dessen offenkundigen Zensurversuch, der von der Parteiführung zu einer »kritischen Äußerung« zu »Rechtspopulisten, Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Antisemiten«, einer »klaren Kante gegen Querfront« umdefiniert wurde (26).

Doch so einfach ist es eben nicht. Kraft eines politischen Amtes Druck auf Abhängige auszuüben ist keine simple »Meinungsäußerung«. Lederer bestritt zwar später, mit einer Kürzung von Fördergeldern gedroht zu haben – doch warum sonst sollte der Kinobetreiber, der zuvor schon viele Veranstaltungen mit Jebsen durchgeführt hatte, nun plötzlich gegenüber dem Senator einknicken? Aus Einsicht in dessen politische Analyse?

Was am Ende übrig bleibt bei all den Grabenkämpfen, sind die zahlreicher werdenden Begriffe, mit denen eine grundsätzliche politische Kritik abgewehrt wird: »Verschwörungstheorie«, »Antisemitismus«, »Querfront«, »Hate Speech«, »Populismus«. So wie die Worte inflationieren, schwindet zugleich die Logik in ihrem Gebrauch.

Die gesellschaftlichen Widersprüche sind inzwischen größer, als dass sie sich noch überzeugend mit Sprache kaschieren ließen. Nach all dem Ausgrenzen, Diffamieren und Denunzieren, dem Einteilen in »Schmuddelkinder« und »Demokraten« wird eines immer klarer: Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist überfällig. Es reicht nicht, bloß »gegen rechts« oder »gegen links« zu sein. Demokratie bedeutet vor allem eines: Bereitschaft zur Debatte.

Cover Angst

Quellen und Anmerkungen:

(1) Häring, Norbert: »Der Antisemit Norbert Häring: Dekonstruktion eines versuchten Rufmords«, 17. Mai 2016, online unter: norberthaering.de/de/27-german/news/617-antisemit
(2) Storz, Wolfgang: »›Querfront‹ – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks«, Otto-Brenner-Stiftung, 14. August 2015 (geändert und neu veröffentlicht am 19. Oktober 2015), online unter: otto-brenner-shop.de/uploads/tx_mplightshop/AP18_Storz_2015_10_19.pdf
(3) Ebd., S. 4.
(4) Ebd., S. 4, 8, 9.
(5) Zu meiner eigenen Zusammenarbeit mit Jürgen Elsässer – die seit vielen Jahren beendet ist, der letzte gemeinsame Auftritt war 2013 – habe ich mich ausführlich hier geäußert: »In eigener Sache: Paul Schreyer, Ken Jebsen, Jürgen Elsässer, Compact und die Querfront«, 26. Januar 2017, online unter: paulschreyer.wordpress.com/2017/01/26/in-eigener-sache-paul-schreyer-ken-jebsen-juergen-elsaesser-compact-und-die-querfront/
(6) Storz, Wolfgang: »›Querfront‹ – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks«, a. a. O., S. 27f.; Storz erwähnt den Bruch am Rande, ohne Details zu nennen, gegen Ende der Studie in einem Nebensatz: »Dies unterstellt nicht, dass die Akteure bei allen Themen einer Meinung sind. Bei wenigen, wie Fragen von Religion, Familie und nationaler Homogenität, gibt es sehr wohl gravierende Unterschiede, mit denen beispielsweise Ken Jebsen – nach eigener Darstellung – nach einer langen Zusammenarbeit seinen ›Bruch‹ mit Jürgen Elsässer begründet.«
(7) Shahyar, Pedram/Jebsen, Ken u.a: »Für einen humanistischen Grundkonsens!«, 24. Mai 2014, veröffentlicht auf dem Facebook-Kanal von Pedram Shahyar, online unter: facebook.com/pedram.shahyar/posts/10203029098061185
(8) Storz, Wolfgang: »›Querfront‹ – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks«, a. a. O., S. 6.
(9) Amann, Melanie/Baumgärtner, Maik/Feldenkirchen, Markus/Knobbe, Martin/Müller, Ann-Katrin/Neubacher, Alexander/Schindler, Jörg: »Aufstand der Ängstlichen«, Der Spiegel, Heft 51/2015, 12. Dezember 2015, online unter: spiegel.de/spiegel/print/d-140390005.html, S. 18–27.
(10) Ebd.
(11) Gottfried, Dietmar: »Nazis gegen Hitler – Otto Strasser und der Revolutionäre Nationalsozialismus«, Telepolis, 23. September 2012, online unter: heise.de/tp/features/Nazis-gegen-Hitler-3395613.html?seite=all – Joseph Goebbels zum Beispiel, ursprünglich antikapitalistisch geprägt und mit dem ebenso orientierten Strasser-Flügel der Partei verbunden, wechselte bereits 1925 die Seiten zu Hitler, der seine Partei klar kapitalistisch ausrichtete und die (nichtjüdische) Großindustrie als Partner ansah.
(12) Antifaschistisches Infoblatt, »Der Begriff Querfront. Eine historische Betrachtung«, Ausgabe 1/2004, 10. März 2004, online unter: antifainfo
(13) Neebe, Reinhard: Großindustrie, Staat und NSDAP 1930–1933, Vandenhoeck & Ruprecht 1981, S. 164 – Auszug: »In einem bisher zu wenig beachteten Interview mit dem amerikanischen Journalisten H. R. Knickerbocker bestätigt sich diese Kehrtwendung: Strasser erklärte dort unmissverständlich: ›Wir erkennen das Privateigentum an. (…) Wir erkennen unsere Schulden an und unsere Verpflichtung, sie zu zahlen. Wir sind gegen die Verstaatlichung der Industrie. (…) Wir sind gegen Planwirtschaft im Sowjetsinne (…) Wenn wir zur Macht kommen, wird es keine gewaltsamen Änderungen geben.‹«
(14) Sander, Ulrich: »Das Spenden-Rendezvous«, in: Ossietzky, Ausgabe 9/2013, 20. April 2013, online unter: ossietzky.net/9-2013&textfile=2252
(15) Ebd.
(16) Ebd.
(17) Jens Wernicke im Interview mit Prof. Rudolph Bauer, »Es gibt keine linke Querfront«, NachDenkSeiten, 14. Juni 2016, online unter: nachdenkseiten.de/?p=33793
(18) Jürgen Elsässer, »Neuwahlen in Sicht: Danach Gauland Kanzler, Lindner Vizekanzler?«, Compact Online, 22. November 2017, online unter: compact-online.de/neuwahlen-in-sicht-danach-gauland-kanzler-lindner-vizekanzler/ – Auszug: »Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: Wenn die AfD das ganze bisherige Spielbrett umschmeißt und auf Sieg spielt. Sieg heißt: Sie macht der FDP das Angebot, eine gemeinsame Regierung zu bilden. (…) Die AfD sammelt die enttäuschten Arbeitslosen, Arbeiter und den bedrohten Mittelstand, die FDP die Besserverdienenden und die Teile des Kapitals, die noch alle Tassen im Schrank haben. Gemeinsam könnten sie eine Regierung aus dem Volk, durch das Volk und für das Volk bilden. Gauland Kanzler, Lindner Vizekanzler.«
(19) Bröckers, Mathias: Der Fall Ken Jebsen oder Wie Journalismus im Netz seine Unabhängigkeit zurückgewinnen kann: Der Macher von KenFM im Gespräch mit Mathias Bröckers, Westend 2016, S. 14.
(20) Ein Beispiel unter vielen: Holland-Letz, Matthias: »Die Welt von KenFM«, in: Journalist, Ausgabe 12/2017, S. 52–55.
(21) de.wikipedia.org/wiki/Kontaktschuld, aufgerufen am 11. Dezember 2017.
(22) Krüger, Uwe: Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen, C.H. Beck 2016, S. 105.
(23) Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 15 /7467, Kleine Anfrage der Abgeordneten Rita Haller-Haid (SPD): »Verfassungsrechtlich bedenkliche Verlage im Kreis Tübingen«, 2. Oktober 2015, online unter: landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/7000/15_7467_D.pdf
(24) Schreyer, Paul: »Kontaktverlust oder: Wenn unbequeme Bücher ›verschwinden‹«, NachDenkSeiten, 8. November 2017, online unter: nachdenkseiten.de/?p=40961
(25) Meisner, Matthias: »Streit um Preis für Ken Jebsen: Die Linke im Kampf gegen die Querfront«, Der Tagesspiegel, 4. Dezember 2017, online unter: tagesspiegel.de/politik/streit-um-preis-fuer-ken-jebsen-die-linke-im-kampf-gegen-die-querfront/20666844.html
(26) Die Linke, Beschluss 2017/152, »Klare Kante gegen Querfront«, 3. Dezember 2017, online unter: die-linke.de/partei/parteistruktur/parteivorstand/2016-2018/beschluesse/detail/news/klare-kante-gegen-querfront/

5 Gedanken zu „Vorsicht, Querfront!

  1. marie

    es SIND keine linken! (Das sind übers Stöckchen springende, opportune Rechte, die Blöd-Rechte, bzw. zu political incorrecte Rechte entlarven wollen, weil die dabei sind, die Fassaden der potemkinschen Dörfer einzureißen. Als wenn es da noch einer Entlarvung bedürfe. Der Zweck des Unterfanges bliebt bis auf weiteres wohl rein therapeutisch und damit auf den „Denunzianten“ selbst bezogen. Er mochte sich entschulden, Zeugnis ablegen, dass er nicht blöd ist, vergebens, wie ihm selber nicht auffallen will.)

    mitglieder einer partei dieses namens sind dies natürlich (!) auch nicht einfach durch ihre mitgliedschaft – genausowenig wie christlich-demokratisch-sozial im einem parteinamen auch nur die geringste INHALTLICH-geistige haltung dieser mitglieder beschreiben kann.

    diese verwirrung sollten doch eigentlich heute alle verstanden haben.

    „Wenn die Begriffe sich verwirren, ist die Welt in Unordnung.“ Zitat Konfuzius

    oder einfach die „banalität des bösen“, wie hannah arendt auch NUR analysieren und damit nicht bekämpfen konnte …

    bei lederer & co. gibt es die hoffnung auf die weisheit des goethe-wortes „die kraft, die böses will und gutes schafft“.

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  3. fidelpoludo

    Lieber Paul Schreyer,
    habe soeben Ihren Beitrag mit einigen einleitenden Worten und zitierenden Passagen auf dem opablog verlinkt – https://opablog.net/2015/11/13/wenn-linke-diskutieren/#comment-126616:

    Hallo Leute,
    ich wollte ein weiteres Mal auf das neue Buch von Paul Schreyer „Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?“ hinweisen, genauer auf einen neuen Vorabdruck eines seiner Kapitel. Habe lange auf dem Opablog herumgesucht, wo der hier passende Ort sein könnte und habe mich für diesen hier entschieden, an dem es um „links sein“ geht. Nicht dass wir viel Neues erfahren, ist der Grund, sondern dass Paul Schreyer in diesem Kapitel eine Menge von uns schon Bekanntem einmal zusammenfasst und in einen aufklärenden Zusammenhang bringt („Querfront“, „Ken Jebsen“, „Montagsmahnwachen“, „Kopp-Verlag“, „Jürgen Elsässer“, „Kontaktschuld“, „Staat und Mainstreammedien“, „Verantwortungsverschwörung“, „NachDenkSeiten“, „Ausgrenzung von Personen, Medienportalen, Büchern oder Parteien mit Verweis auf den Mainstream als Autorität“, „Zensur“, „Antisemitismus“, „Verschwörungstheorien“, »Hate Speech«, »Populismus«, „Ausgrenzen, Diffamieren und Denunzieren“)

    Wie immer ein paar Zitate daraus, die die einen oder die anderen dazu anregen könnten, das gesamte Kapitel zu lesen: (Hervorhebungen von mir)

    „Wo immer eine große parteiübergreifende Debatte zu Krieg, Kapitalismus und Gerechtigkeit doch einmal in Gang kommt, da lauert der Querfront-Vorwurf, also die Beschuldigung, Linke würden mit Rechten paktieren und damit rechtes Gedankengut salonfähig machen. Immer wieder wird in linken Kreisen nahegelegt, eine kritische Beschäftigung mit dem Geldsystem oder mit Machteliten sei »strukturell rechts« oder bediene gar »antisemitische Denkmuster«. (…)
    Es ist auf ermüdende Weise der immer gleiche logische Fehlschluss: Wer argumentiert, dass es an Demokratie mangele, der wird selbst zum Demokratiefeind erklärt, da er sich ja nicht zur Demokratie im eigenen Land bekenne. Die Unlogik ist so offenkundig, dass man sich angesichts des niedrigen Grades an Reflexionsvermögen bei denjenigen, die so reden, nur verwundert die Augen reiben kann.
    Dennoch macht der Vorwurf einer Querfront aus Links und Rechts und deren vermeintlicher »Demokratiefeindlichkeit« seit Jahren große Karriere in den Medien. So bezog sich der Spiegel in einer langen Titelgeschichte unter der Überschrift »Aufstand der Ängstlichen« konkret auf die »Querfront«-Studie. (…)
    Wesentlich für die Einordnung auf der Links-Rechts-Skala ist die eigene Haltung zu Herrschaft, Hierarchien und Autorität. Rechte wünschen sich bekanntlich ein autoritäres System mit klarer Führung und der Wahrung konservativer Werte. Sie akzeptieren und unterstützen die traditionelle, hergebrachte Ordnung und das »Recht des Starken«. Linke hingegen betonen die Gleichheit aller Menschen und stellen das bestehende System um so eher infrage, je mehr sie es als sozial ungerecht betrachten. Links ist, im Gegensatz zu Rechts, eng mit Herrschaftskritik verbunden. (…)
    In der Debatte rund um alternative Medien und im Kampf um die Deutungshoheit der etablierten Zeitungen und Sender wird mittlerweile häufiger versucht, Kritiker mittels Kontaktschuld auszugrenzen. Die Ausgrenzung soll es den entsprechenden Personen erschweren, ihre Ansichten weiter über die Medien zu verbreiten. Das Signal geht dabei immer an zwei Adressaten: zum einen an das Publikum, dem man vermittelt: »Glaubt diesem Menschen nicht«, zum anderen an die Redakteure und Journalisten innerhalb der Medien, denen man nahelegt, dieser Person kein Forum zu bieten, sofern man nicht – wiederum mittels Kontaktschuld – sein eigenes Ansehen gefährden will.
    Das Kontaktschuldsystem ist ein Schneeballsystem. Es lebt davon, dass andere die Empfehlung zum Ausgrenzen unkritisch befolgen und damit weiter verbreiten. Das System selbst wird selten öffentlich reflektiert und hinterfragt. Im Kern ist es eine Anleitung zum Konformismus. (…)
    Was am Ende übrig bleibt bei all den Grabenkämpfen, sind die zahlreicher werdenden Begriffe, mit denen eine grundsätzliche politische Kritik abgewehrt wird: »Verschwörungstheorie«, »Antisemitismus«, »Querfront«, »Hate Speech«, »Populismus«. So wie die Worte inflationieren, schwindet zugleich die Logik in ihrem Gebrauch.
    Die gesellschaftlichen Widersprüche sind inzwischen größer, als dass sie sich noch überzeugend mit Sprache kaschieren ließen. Nach all dem Ausgrenzen, Diffamieren und Denunzieren, dem Einteilen in »Schmuddelkinder« und »Demokraten« wird eines immer klarer: Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist überfällig. Es reicht nicht, bloß »gegen rechts« oder »gegen links« zu sein. Demokratie bedeutet vor allem eines: Bereitschaft zur Debatte.“

    Ich schätze Ihre Arbeit sehr und bin deshalb bereit, zu ihrer Verbreitung beizutragen.

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  4. fidelpoludo

    Bei der Gelegenheit habe ich mich gleich auch noch für die Lektüre des „Populismus-Kapitels“ auf dem Opablog stark gemacht, der auf Norbert Härings Website erschienen ist:

    „Populismus“ – linker wie rechter
    Wo ich schon einmal dabei bin, gleich noch ein weiterer Hinweis auf ein anderes Kapitel aus dem gleichen Buch des gleichen Autors, das sich über den Begriff des »Populismus« ausbreitet, der für »das Fähnlein der sieben (noch) aufrechten Linken« (haben wir so viele auf unserem Blog, die sich so verstehen wollen?) nicht bedeutungslos sein dürfte, wenn wir auch Wirkung erzielen wollen.

    Paul Schreyer geht den historischen Spuren des Begriffes nach und findet ihn dann in der Neuzeit zunächst in den USA, Ende des 19. Jahrhunderts, als eine uns bekannt vorkommende Ungleichheit erstens zwischen Kapital und Arbeit wie auch zweitens zwischen den verschiedenen Ausbeutungs- und Unterdrückungsgraden der Lohnabhängigen von den als »Räuberbarone« bezeichneten »Erfolgskapitalisten wie Rockefeller (Öl), Carnegie (Stahl) oder Morgan (Bankwesen) angesteuert und erreicht wurde, »eine gekonnte Terrassierung, um die Reichtums-Pyramide zu zementieren«. Das »allgemeine Gefühl der Enttäuschung, eine zunehmende Verbitterung in den arbeitenden Klassen, ein weit verbreitetes Gefühl von Unruhe und gärender Revolution« führte zur Spaltung der Gesellschaft und der Bildung neuer Parteien.

    Am Beispiel der »Farmer’s Alliance, der »massivste(n) Organisierungskampagne aller Bürgerinitiativen im 19. Jahrhundert in ganz Amerika“ hebt Schreyer die Organisation der Arbeiter und Bauern wie die permanente brutale Niederschlagung dieser und ähnlicher Organisationen (die ) hervor, aus der sich dann die »People’s Party« 1891 bildete. Dieser »positive(n) Traditon des Populismus setzt er dann den in Deutschland durchweg negativ besetzten Begriff entgegen, dessen Negativität er mit guten Argumenten anschließend in Frage stellt.

    Merkels oder auch Peter Strucks »Fake-Populismus« wird anschließend ebenso treffend analysiert wie Thomas de Maizières 2017 lancierte Gesetz zum Burkaverbot für Angestellte im öffentlichen Dienst.
    (Die (verfälschenden?) Hervorhebungen sind von mir)

    »Menschen benutzen gängige Schlagworte wie „Verschwörungstheorie“, „Fake News“ oder eben „Populismus“ meist ohne ihren Sinngehalt zu prüfen. Aus manipulierter Sprache erwachsen dann, ganz wie von allein, Gedanken, die in die Irre führen.
    Populismus, verstanden als historisch gewachsene Bewegung für soziale Verbesserungen und eine Stärkung der Demokratie, als Vertretung von Interessen der breiten Bevölkerung und Gegenpart zu einer abgehobenen, sich bereichernden Oberschicht, lässt sich kaum pauschal kritisieren. Lädt man den Begriff hingegen mit anderen Inhalten wie Betrug oder Rassismus auf, lässt sich leichter dagegen vorgehen.

    Der Populismus-Vorwurf dient, so scheint es, vor allem dem Schutz der etablierten Eliten. Der Theaterdramaturg Bernd Stegemann, Autor des Buches Das Gespenst des Populismus, meint dazu sarkastisch: ›Eine einfache Antwort ist dann falsch, wenn sie der eigenen Meinung widerspricht, und sie ist populistisch, wenn mit ihr Stimmen gewonnen werden sollen.‹

    Wer „Populismus“ sagt, der möchte im Grunde eine rote Linie ziehen zwischen akzeptierter und unerwünschter Opposition – was zur Frage führt: von wem unerwünscht? Der Populismus-Warner tritt stets als ehrlicher Anwalt der Anständigen auf, wodurch die gewünschte Abwertung und Ausgrenzung der anderen vernünftig erscheint. Auf der großen Bühne der Politik geht es einmal mehr um die Deutungshoheit und eine überzeugende Inszenierung. Großer Theaterdonner und Nebelschwaden – das Publikum staunt und soll sich fürchten vor der beschworenen Gefahr. Die als Populismus bezeichneten Ansichten sollen nicht öffentlich gelten dürfen, nicht diskutiert werden, außerhalb der Debatte bleiben. Doch wer maßt sich an, solche Grenzen zu ziehen?«

    Die Wiedergabe des Kapitels ist zu finden auf der Website von Norbert Häring (http://norberthaering.de/de/27-german/news/969-schreyer-populismus), der ihm eine kurze interessante, weil aktualisierende Einleitung vorangestellt hat:
    „Wie man die Demokratie nicht gegen Populisten verteidigt
    05.04.2018 |

    „Wer „die Demokratie gegen Populisten verteidigen“ möchte, der meint es zwar gut, gerät aber in einen Widerspruch. Trump und Co. sind bei Wahlen vor allem deshalb erfolgreich, weil die Zustände eben nicht demokratisch sind. Das Fehlen einer funktionierenden Demokratie bringt sie erst hervor. Sich aufzureiben an populären Außenseitern, sich zu empören über deren Rückständigkeit und Gefährlichkeit, ist emotional verständlich, aber ein Weg in die Sackgasse. So argumentiert Paul Schreyer in seinem neuen Buch Die Angst der Eliten.“

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